Die Biermarke „Bergt-Bräu“ war zuletzt vor allem älteren Chemnitzern ein Begriff. Mit der Verstaatlichung der Reichenbrander Brauerei vor rund 50 Jahren musste der Name von den Etiketten der Flaschen verschwinden. Bis Brauerei-Chef Michael Bergt, der das nach 1990 reprivatisierte Familienunternehmen heute führt, die Initiative ergriff und im vergangenen Jahr die Marke reaktivierte.
Doch kaum waren im Frühsommer 2020 die ersten „Bergt-Bräu“-Flaschen an den Handel ausgeliefert, gab es Post von einer Anwaltskanzlei. Eine Brauerei im mehr als 400 Kilometer entfernten Ehigen an der Donau klagte auf Unterlassung. Dort werden diverse Biere der Marke „Berg“ gebraut und in erster Linie regional vertrieben. Die Betreiber fürchten, durch das Chemnitzer „Bergt-Bräu“ könne es zu Verwechslungen kommen. In einem ersten Prozess vor dem Landgericht Stuttgart setzten sich die Schwaben durch. Die Reichenbrander Brauerei darf vorerst keinerlei Bier der Marke „Bergt-Bräu“ mehr verkaufen.
Michael Bergt, der für die Rückkehr der Traditionsmarke nach eigenen Angaben bereits 150.000 Euro in neue Anlagen, Werbung und Marketing investiert hat, versteht die Welt nicht mehr. „Nachdem uns zu DDR-Zeiten schon einmal das Führen unseres Familiennamens verboten wurde und unser Bier als ,Reichenbrander‘ verkauft werden musste, ist es nun ein Berufskollege aus Süddeutschland, der sich an unserem Namen stört“, schreibt der 37-Jährige auf der Facebook-Seite der Brauerei. „Dass wir so etwas noch einmal erleben müssen, hätten wir und vor allem mein inzwischen verstobener Großvater Joachim Bergt niemals gedacht.“ Dessen größter Lebenstraum sei es schließlich gewesen, nach der Zwangsumbenennung den Namen Bergt wieder groß auf einem Etikett zu sehen.
Die Kläger aus Baden-Württemberg geben sich bedeckt. Auf wiederholte Nachfrage der „Freien Presse“ gab es bis Donnerstagabend keine Reaktion. Bei der Brauerei handelt es um ein Familien-Unternehmen ähnlicher Größe, Tradition und wohl auch Liebe zur Braukunst wie bei den Reichenbrandern. „Ich hätte nicht gedacht, dass die so gegen uns vorgehen, gerade in dieser ohnehin schwierigen Zeit“, sagt Michael Bergt. Zumal die Marke „Berg“ nicht etwa vom Familiennamen der Brauereibetreiber herrühre, sondern von der Ortschaft Berg (mit 600 Einwohnern heute ein Stadtteil von Ehigen), in dem die Brauerei ansässig ist. Dass beide Marken sich völlig verschieden präsentieren – Bergt startete mit betont modern gestalteten Etiketten, Berg gibt sich eher traditionell – habe das Stuttgarter Gericht ebenso wenig beeindruckt wie das kleine „t“ als entscheidender Unterschied im Markennamen.
Den Chemnitzer Patentrechts-Anwalt Heinz-Ulrich Schwarz überrascht das wenig. „Es gibt bei den Gerichten die Tendenz, im Streitfall Markennamen Buchstabe für Buchstabe so lange zu untersuchen, bis man letztlich alles für verwechselbar hält“, sagt er. Dass mit „Bergt-Bräu“ im Grunde nichts Neues kreiert, sondern eine alte Chemnitzer Traditionsmarke wiederbelebt worden sei, spiele keine entscheidende Rolle. „Im Markenrecht gilt: Wird eine Marke fünf Jahre lang nicht benutzt, verliert sie den Schutz.“
Michael Bergt will dennoch nicht aufgeben und hofft auf einen Sieg der Vernunft. Er hat gegen das Stuttgarter Urteil Berufung eingelegt und will zudem versuchen, bis zu einer Entscheidung in zweiter Instanz eine Lockerung des „Bergt-Bräu“-Verbotes zu erreichen. Die Produktion in der Brauerei konzentriert sich derweil auf die Sorten „Reichenbrander“, erläutert er. Alle an den Handel ausgelieferten, aber noch nicht verkauften „Bergt“-Flaschen hat er wieder eingezogen, die erst kürzlich installierten neuen Brauereischilder demontiert. „Dabei“, so der 37-Jährige, „wollten wir dieses Jahr eigentlich so richtig loslegen.“
Bild links: Michael Bergt leitet in Reichenbrand in fünfter Generation die älteste Privatbrauerei der Stadt. Die Wiederbelebung der Traditionsmarke „Bergt-Bräu“ hat eine Brauerei nahe Ulm nun ausgebremst. (FOTO: ANDREAS SEIDEL) | Bild rechts: Werbefoto für die schwäbische Biermarke Berg. Die Hersteller sehen Verwechslungsgefahr (FOTO: BERG BRAUEREI)
Chemnitzer Zeitung | 16. April 2021 | Seite 9 | Autor: Michael Müller